So erleben unsere Kinder Trennung und Scheidung – und wie wir als Eltern damit umgehen sollten

Kinder haben schwer zu kämpfen, wenn Vater und Mutter sich endgültig trennen. Mit Auszug eines Elternteils gibt es für die künftigen Scheidungskinder die bisherige Welt nicht mehr. Die Sicherheit der Familie fällt aus Sicht der Kinder weg, sie sind zunächst völlig verunsichert und müssen sich erst neu orientieren. Auch wenn jedes Kind natürlich anders reagiert: Bestimmte fürs Alter typische Reaktionen zeigt fast jedes Kind, wobei die Übergänge hierbei fließend sind.

Babys und Kleinkinder sind meist hilflos

Babys und Kleinkinder bekommen es mit, wenn ein Elternteil auszieht und die Trennung ins Haus steht. Als unmittelbare Reaktion neigen die Kinder dann oft zu Wutanfällen und aggressivem Verhalten. Andere wiederum haben Angst und kleben förmlich am verbliebenen Elternteil, lassen es keinen Moment mehr alleine. Denn nach dem Denken der Kinder könnte dieses Elternteil sie auch noch verlassen. Und dann kommt es häufig vor, dass einige Kinder Rückschritte machen: Sie nässen sich wieder ein oder wollen den Schnuller zurück, obwohl diese Phasen schon beendet waren.

Gerade der Elternteil, bei dem die Babys und Kleinkinder leben, steht jetzt in der Pflicht –  trotz seiner eigenen Trennungsprobleme und seinem Gefühlschaos, Geduld zu haben und für die Kinder da zu sein. Regelmäßige Kontakte und Besuche des gegangenen Elternteils sollten unbedingt ermöglicht werden, auch wenn jeweils nur für wenige Stunden. Gerade den Verlustängsten der Kinder kann so begegnet werden. Bis diese Übergangsphase für die künftigen Scheidungskinder durchstanden ist und emotionale Ruhe eingekehrt ist, kann einige Zeit vergehen, zumal bei dieser Altersgruppe noch kein Zeitempfinden vorhanden ist.

Kinder im Kindergartenalter halten sich für schuldig

Kinder im Kindergartenalter reagieren ganz ähnlich wie Babys und Kleinkinder, wenn auch wesentlich stärker. Bei ihnen kann das “Bockigsein” als Antwort auf die neue Situation extremer ausfallen. Es kann sich darin äußern, dass sie andere Kinder in der Kita schlagen, das Mittagessen ablehnen oder den Gang zur Toilette verweigern. In diesem Alter ist ihnen noch nicht bewusst, dass ihre Mitmenschen die Welt anders wahrnehmen können als sie selbst. Beziehung und Zuneigung versteht sich als „Etwas miteinander machen“ .  Ist nun ein Elternteil nach dem Auszug weniger präsent, empfindet das das Kind ganz konkret als Liebesentzug. Die Gründe dafür suchen die Kinder bei sich selbst und glauben in der Folge, dass sie schuld an der Trennung sind.

Wichtig für die Kinder im Kindergartenalter sind jetzt klare Strukturen und eine ungefähre Orientierung, was künftig sein wird. Beide Elternteile – vor allem derjenige, bei dem die Kinder leben – sind gefordert, den Kindern trotz der Trennung Sicherheit zu geben und Angst zu nehmen. Die Verlässlichkeit der Eltern ist hier oberstes Gebot. Daneben sollte alles, was für die Kinder wichtig ist, genauso in die neuen Lebensformen der Eltern eingebunden werden wie die Personen, zu denen die Kinder einen festen Bezug haben. In dieser Phase sind klare Umgangsregelungen ganz wichtig, um die Kinder aus der Schuldfrage rauszuhalten und nicht bei jedem Anlass zu neuem Streit zu sorgen.

Schulkinder leiden unter TrennungJüngere Schulkinder erleben Loyalitätskonflikte

Kinde, die die Grundschule besuchen, begreifen zum Teil schon, was in der Familie geschieht und wie die Trennung mit Kindern vor sich geht. Die späteren Scheidungskinder sehen durchaus, dass andere Menschen die Welt anders wahrnehmen als sie selbst. Dabei sind die Kinder aber noch anders gestrickt als wir Erwachsenen: sie glauben, dass die anderen durch ihr Handeln ihre tatsächlichen Absichten ausdrücken. Versteckte Absichten der anderen können die Kinder noch nicht so recht erkennen. Zum ersten Mal sind Kinder in dieser Gruppe fähig, die sie selbst durch die Trennung der Eltern betreffenden Änderungen zu erfassen und dabei Gefühle wie Traurigkeit und den Wunsch nach Rückkehr des ausgezogenen Elternteils zum Ausdruck zu bringen.

Trotzdem sind die Kinder in dieser Situation hilflos, traurig und voller Wut, oft auch voller Ohnmacht. Manchmal werden demzufolge die Leistungen in der Schule schlechter und auch der Umgang mit Freunden und Mitschülern leidet darunter. Zudem treten erste Loyalitätskonflikte zutage. Manche Kinder möchten auf der einen Seite dem „verlassenen“, „einsameren“, “traurigeren” und unterstützungsbedürftigerem Elternteil beistehen und etwa durch ganz konkrete Hilfe im Haushalt unterstützen. Andererseits aber brauchen diese Kinder selber die Anteilnahme und Zuwendung von dem ihrer Meinung nach stärkeren Elternteil. Häufig wünschen sich die Kinder daher, dass die beide Eltern wieder zusammenkommen und es erst gar nicht erst auf eine Scheidung hinausläuft. Dadurch drückt sich der Wunsch Kinder aus, den Loyalitätskonflikt, das Hin- und Hergerissensein zu vermeiden.

Die Eltern müssen sich diese Phase ihrer Kinder vor Augen führen. Es sind eben keine kleine Erwachsenen, sondern Kinder. Der Konflikt belastet sie zu stark und sie flüchten in eine Wunschwelt, in der beide Eltern ohne Konflikt sind und die Familie erhalten bleibt. Wichtig ist daher, dass der über das Ende der Beziehung trauernde Elternteil die Kinder nicht andauernd mit seinen Problemen belastet. Gefordert ist aber auch der Elternteil, der die Beziehung beendet hat: er sollte im Beisein der Kinder sensibel damit umgehen. Zu wünschen wäre hier ein Stück Normalität in den neuen, geänderten Lebensverhältnissen. Zu Bedenken ist auch, dass vor kurzem eingeschulte Kinder einen Großteil ihrer Kraft und Energie im Alltag dazu brauchen, um sich in der für sie ungewohnten neuen schulischen Umgebung zurechtzufinden. Auch hier gilt es für die Eltern Rücksicht zu nehmen. Auch nach der Trennung sind beide noch Eltern des Kindes. Diese Rolle bleibt und gilt ausgefüllt zu werden.

Ältere Schulkinder: Neigung zu Allianzen oder Partnerersatz

Ältere Schulkinder bis 12 Jahre sind in der Lage erkennen, dass Handeln und Absicht einer Personen auseinander fallen kann, wobei hinter „unangenehmen“ Handlungsweisen auch gute Absichten stecken können. Sie können also möglicherweise verstehen, warum ein Partner den anderen verließ und dass das nicht in Zusammenhang mit ihnen selbst steht. Liebe und Nähe zwischen Kind und Eltern wird nun nicht mehr durch Handeln geprägt, sondern durch wechselseitige Gefühle. Beide machen sich Sorgen um den jeweils anderen. Ein guter Willen kann erkannt werden, auch wenn das Ergebnis nicht mit der Absicht übereinstimmt. Kann das Kind die guten Absichten und Gefühle der Eltern erkennen, werden bei ihm positive Gefühle hervorgerufen. Umgekehrt kann ist jetzt aber auch die Zeit dafür, dass es zu Konflikten zwischen Kindern und Eltern aufgrund unterschiedlicher Einstellungen und Meinungen kommen kann . Jetzt zählt nicht mehr wie zuvor allein das als unangenehm empfundene Verhalten.

Dieses Verhalten kann bewirken, dass die Kinder für einen Elternteil Partei ergreifen. Die Kinder können eine Allianz mit dem von der Trennung verletzten Elternteil bilden und teilweise sogar die Rolle des fehlenden Partners einnehmen. Meist wird das vom betroffenen Elternteil unbewusst akzeptiert. Dadurch kommt es zwangsläufig zu einer Entfremdung mit dem anderen Elternteil. Nun kann es geschehen, dass das Elternteil, mit dem das Kind eine Allianz bildet, dies ausnutzt und die Kinder extrem manipuliert (sogenanntes Parental Alienation Syndrome – PAS). Leider kommt es immer wieder in der Praxis vor, dass der verlassene Elternteil die Kinder so gegen den anderen aufbringt, dass dies zu Kontaktabbrüchen führt. Man muss immer bedenken, dass der Konflikt der Eltern einer zwischen Erwachsenen ist und nicht mit den Kindern zutun haben sollte.

Es treten aber auch andere mögliche Reaktionen der Kinder in diesem Alter auf. Zum Beispiel können sie aufgrund der ständigen Streitereien zwischen den Eltern vor diesen jeglichen Respekt verlieren. Mit einem Mal kann das massive Erziehungsprobleme hervorrufen.

Jeder der betroffen ist, sollte sich vor Augen halten, dass die Kinder nicht zu stark mit den elterlichen Problemen belastet werden sollten. Gerade während einer Krise, die eine Trennung nun mal darstellt und ähnlich bedrohend ist wie der Tod eines Angehörigen, benötigen die Kinder die volle Unterstützung der Eltern. Diese brauchen natürlich Hilfe, weil es ihnen selbst nicht gut geht. In diesem Moment sollten sie sich aber professionelle Hilfe holen und keinesfalls die Kinder als Stütze heranziehen. Sie sollten Kraft daraus schöpfen, selbst in der Krise eine Hilfe von außen zu suchen. Das ist auch ein gutes Beispiel für die Kinder, denn niemand ist vor einer Trennung gefeit. Kinder sind keine Partner auf Augenhöhe, es ist nicht ihre Rolle, einen Partner zu ersetzen. Sie sind Kinder und mit Rolle als Mutter oder Vater überfordert. Kinder haben schon die ihrem Alter entsprechenden Konflikte auszutragen, das ist schon genug. Mit dem Stress zuhause wird die Konzentrationsfähigkeit der Kinder in der Schule beeinträchtigt, Leistungen lassen nach und es kann sich eine weitere Krise anbahnen. Ganz wichtig ist daher, dass die künftigen Scheidungskinder von den Eltern unterstützt werden, Spaß am Leben, an der Schule, an Hobbys und mit ihren Freunden zuhaben So kann das Kind auftanken und auch wieder unbelastet und fröhlich auf jedes Elternteil zugehen.

In der PubertätJugendliche stecken in der Pubertät

Spätestens mit 15 Jahren sind Kinder in der Lage, Dinge übergeordnet zu betrachten. Sie können den eigenen Standpunkt und den von anderen aus „Sicht einer dritten Person“  sehen und können verallgemeinern und Geschehen einordnen. Möglich, dass sie jetzt auch eine ganz eigene Sicht auf die Trennung und ihre Ursachen, ihre Geschichte entwickeln. Aber auch jetzt sind es noch Kinder, nur in einer anderen Phase. Sie stecken in der Pubertät und sind ganz damit beschäftigt, sich von ihren Eltern zu lösen und sich zu einer eigenen Persönlichkeit zu entwickeln. Gerade weil sie schon so erwachsen wirken können, suchen die Eltern aufgrund der Trennung nicht selten Trost und Verständnis bei ihren Kindern, wodurch diese eindeutig in ihrer Entwicklung gestört werden. Die Folge können teilweise sehr heftige Reaktionen der Jugendlichen sein: sie können von einer Verweigerungshaltung – „Null Bock“ – über Drogen- bzw. Alkoholkonsum bis hin zur Suche nach Unterstützung bei Freunden oder Bekannten im Umkreis reichen. Es kommt aber auch vor, dass Jugendliche Partei für ein Elternteil ergreifen und auf den anderen fast schon feindselig reagieren. Und wenn Jugendliche Kontakt zu beiden Elternteilen aufrecht erhalten möchten, befürchten sie doch, dadurch dem „schwächeren“ Elternteil weh zutun und selbst zwischen die Mühlen zu geraten. Sind die Jugendlichen schon älter, kommt es auch vor, dass sie sich dem Elternhaus vollständig entziehen, dass sie ausziehen möchten oder zu Freunden flüchten. So führt eine Trennung mit Kindern nicht selten dazu, dass die Jugendlichen schneller erwachsen werden als es gut für sie ist.

Eines der größten Probleme der Jugendlichen bei einer Trennung der Eltern ist, dass in der schwierigen Phase der Persönlichkeitsentwicklung der gewohnte Rückhalt, ihre Welt, ihr sicherer Hafen quasi zusammenbricht. Auch wenn Jugendliche in der Pubertät „rebellisch“ sind und sich häufig gegenüber den Eltern negativ benehmen, wissen sie doch, dass die Eltern in letzter Konsequenz für sie da sind. Auch hier wie in den anderen Altersgruppen ist es für die Eltern ganz wichtig, trotz der Trennung ihre eigenen Probleme gegenüber den Jugendlichen deutlich zurückzunehmen. Es gibt hier auch Hilfsangebote von Jugendämtern oder Psychologen, die sich speziell an Kinder oder Jugendliche richten. Man sollte diese Hilfe in Erwägung ziehen, sie hat schon vielen Familien geholfen.  Jugendlichen sollte man zugestehen, ihre eigenen Erfahrungen zu machen. Eltern sollten ihren Kindern eindeutig vermitteln, dass sie für diese trotz der Trennung immer mit Hilfe und Rat da sind, wenn die Jugendlichen sich dies wünschen. Dieser Rückhalt sollte den Kindern selbst dann noch angeboten werden, wenn sie sich schlecht gegenüber den Eltern benehmen. Zugleich sind in dieser Phase klare Regeln wichtig. Im Idealfall sollten sich die Eltern hierüber absprechen und sich über die gemeinsam beobachtete Entwicklung der Jugendlichen austauschen.